Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen. Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein und die Ersten die Letzten. (Mt 20,11-16)
Jesus will mit diesem Gleichnis keine Lehre für das Wirtschaftsleben geben. Das sollte uns klar sein. Für welche Eigenschaft des Himmelreichs steht aber nun der Gutsherr? Ich denke die positive Botschaft des Gleichnisses ist, dass der Gutsherr bis zum Abend alle anwirbt, die Arbeit suchen. Es gibt für alle etwas zu tun. Das sollte uns zuerst verwundern, wie groß dieser Weinberg sein muss, dass er so vielen Menschen Arbeit gibt. Und genau betrachtet ist auch der Gutsherr sehr großzügig. Das, was die Arbeiter der letzten Stunde gearbeitet haben, hätten nach wirtschaftlichen Aspekten locker die anderen geschafft. Sie haben also wirklich im Vergleich zu den Arbeitern der ersten Stunde so gut wie nichts gearbeitet und bekommen doch den vollen Lohn. Wenn wir das Gleichnis vom wirtschaftlichen Aspekt her betrachten, ist der Gutsherr also nicht der Ausbeuter, als der er auf den ersten Blick erscheinen mag, sondern er widerspricht mit seinem Verhalten jedweder Form der Gewinnoptimierung.
Jeder, der das möchte, bekommt die Möglichkeit, für das Himmelreich zu arbeiten. Jeder Arbeiter für das Himmelreich muss sich aber im Klaren darüber sein, dass er für den gleichen Lohn arbeitet. Egal, welchen Dienst er tut, ob Apostel oder einfacher Katechet, ob Schriftsteller oder Helfer im Krankendienst, es gibt im Dienst für das Reich Gottes keine mehr oder weniger wichtigen Aufgaben. Jeder Dienst ist gleich wichtig, weil nur im Zusammenwirken aller das Himmelreich auf Erden Wirklichkeit werden kann.
Dass der Lohn letztlich für alle Gleich ist, liegt nicht daran, dass die Arbeiter am Himmelreich unterbezahlt sind. Der Lohn, den jeder bekommt, ist das Größtmögliche, das ein Mensch verdienen kann, in Ewigkeit bei Gott zu wohnen. Bei Gott gibt es nicht für die einen Luxuswohnungen und für die anderen Slums, alle werden mit der gleichen Herrlichkeit bekleidet. Um diese Gleichheit aller auszudrücken, war der Denar der Tagelöhner das naheliegendste Beispiel und nur, wenn wir nicht von irgendwelchen heutigen Vorstellungen von gerechter Bezahlung ausgehen, sondern einfach die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass die Bezahlung mit einem Denar ein festgesetzter Usus war, können wir das Gleichnis verstehen.
Vielleicht können wir auch sagen, dass Jesus meint, dass jeder Mensch das bekommt, was er braucht, um glücklich zu sein? Jeder Mensch hat in seinem Leben die Möglichkeit, glücklich zu sein. Es gibt Höhen und Tiefen, mal bin ich bei den Ersten, mal bei den Letzten und denke, jetzt ist alles aus. Doch im letzten Moment kommt einer ... Das ist etwas, worauf wir bei Gott vertrauen dürfen, dass er uns nicht vergisst, dass er uns nicht stehen lässt mit unseren Sorgen und Nöten. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns ein erfülltes Leben schenkt und dass er uns aufnimmt in sein Reich, wenn wir für ihn gearbeitet haben, wenn wir ihn einfach als unseren Gott anerkannt haben und uns von ihm haben lieben lassen als seine Kinder.
Wir können das Gleichnis aber auch noch unter einem anderen Aspekt her lesen. In der kirchlichen Tradition spricht man von den drei evangelischen Räten Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Was diese bedeuten, zeigt uns Jesus deutlich im 19. und 20. Kapitel des Matthäusevangeliums. In diesen beiden Kapiteln ist Jesus mit seinen Jüngern auf dem Weg durch Judäa nach Jerusalem. Es ist der letzte Weg, den Jesus mit seinen Jüngern geht, bevor sich sein Ende in Jerusalem erfüllt. Was Jesus hier sagt, hat also noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.
Im 19. Kapitel spricht Jesus von der Ehelosigkeit und in seiner Antwort auf die Frage des reichen Jünglings "Was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu erlangen?" zeigt Jesus die Bedeutung der Armut auf. Das heutige Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg macht die Bedeutung des Gehorsams deutlich.
Mehrmals am Tag geht der Gutsbesitzer auf den Marktplatz, um Arbeiter anzuwerben. Die Initiative für die Verteilung der Arbeit geht allein von ihm aus. Er entscheidet, wen er wann anwirbt. Die Arbeiter aber zeigen ihre Bereitschaft zu arbeiten, folgen dem Ruf des Gutsherrn und leisten die ihnen zugewiesene Arbeit.
So ist es auch bei der Arbeit im Weinberg des Herrn. Gott ist es, der Menschen in seinen Dienst ruft. An uns ist es aber, die Bereitschaft zu zeigen, in diesen Dienst zu treten. Wann und zu welcher Aufgabe der Herr uns beruft, liegt ganz bei ihm. Das erfordert Geduld, um auf die Stunde zu warten, zu der der Herr uns braucht und es erfordert Gehorsam, dann, wenn der Herr uns ruft, das zu tun, was er von uns möchte.
Wir haben so viele eigene Vorstellungen und Pläne, die auch sicher gar nicht so schlecht sind. Aber doch müssen wir immer wieder danach fragen: Was ist es, was Gott will? Es ist oft gar nicht so leicht, den Ruf Gottes durch all unser eigenes Denken und Planen hindurchdringen zu lassen.
Als Jesus nach Jerusalem hinaufzog, nahm er unterwegs die zwölf Jünger beiseite und sagte zu ihnen: Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird; aber am dritten Tag wird er auferstehen. (Mt 20,17-19)
Jesus geht mit seinen Jüngern nach Jerusalem. Noch einmal erklärt er ihnen, was ihm dort bevorsteht. Wie kann man angesichts dessen noch über Lohn und Ränge streiten? Doch den Jüngern ist der Ernst der Lage nicht bewusst. Sie kümmern sich um Kleinigkeiten, sie erkennen nicht, worauf es ankommt und was wirklich wichtig ist. Sind wir nicht auch oft so? Wir streiten mit anderen über Kleinigkeiten und verlieren dabei die Liebe aus den Augen, interne Querelen hemmen den Dienst an den Menschen.
Dem Arbeiter am Himmelreich soll es nicht um seinen Rang und seinen Lohn gehen. Er soll in allem ein Diener sein und das geschieht nicht dadurch, dass man sich Diener nennt, sondern es auch ist. So ist auch Jesus nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben für das Heil der Welt.
Damals kam die Frau des Zebedäus mit ihren Söhnen zu Jesus und fiel vor ihm nieder, weil sie ihn um etwas bitten wollte. Er fragte sie: Was willst du? Sie antwortete: Versprich, dass meine beiden Söhne in deinem Reich rechts und links neben dir sitzen dürfen. Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie sagten zu ihm: Wir können es. Da antwortete er ihnen: Ihr werdet meinen Kelch trinken; doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die mein Vater diese Plätze bestimmt hat.
Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über die beiden Brüder. Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Mt 20,20-28)