Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet? Ist euch Jesus Christus nicht deutlich als der Gekreuzigte vor Augen gestellt worden? Dies eine möchte ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist durch die Werke des Gesetzes oder durch die Botschaft des Glaubens empfangen? Seid ihr so unvernünftig? Am Anfang habt ihr auf den Geist vertraut und jetzt erwartet ihr vom Fleisch die Vollendung. Habt ihr denn so Großes vergeblich erfahren? Sollte es wirklich vergeblich gewesen sein? Warum gibt euch denn Gott den Geist und bewirkt Wundertaten unter euch? Weil ihr das Gesetz befolgt oder weil ihr die Botschaft des Glaubens angenommen habt? (Gal 3,1-5)
Paulus hat aus damaliger Sicht die halbe Welt bereist, um den Menschen die Botschaft von Jesus Christus zu bringen, das Evangelium von der Erlösung und Befreiung der Menschen. Selbst in das entlegene Galatien ist er auf mühsamen Wegen gewandert. Er wollte, dass alle Menschen auf der Welt davon erfahren, dass Gott mit den Menschen durch Jesus Christus einen neuen Bund geschlossen hat, der den alten Bund vollendet und überbietet. Das bedeutet aus seiner Sicht, dass dadurch auch die Gesetze des Alten Bundes ihre Bedeutung verlieren. Nicht durch Werke des Gesetzes wird der Mensch nun gerettet, sondern allein durch den Glauben an Jesus Christus.
Die Menschen nahmen die Predigt des Paulus begeistert auf, doch bald nach seiner Abreise kamen andere Prediger, die diese Freiheit vom Gesetz, die Paulus verkündete, nicht guthießen. Für sie bedeutete der Glaube an Jesus Christus nicht, dass dadurch die Forderungen des Gesetzes aufgehoben würden, sondern diese behielten weiterhin ihre Gültigkeit. Die Gegner des Paulus machten den Menschen klar, dass sie nur gerettet werden könnten, wenn sie auch weiterhin diese Gesetze befolgten. Die Menschen waren verunsichert und in der Unsicherheit hält man sich lieber an das Alte, anstatt Neues zu wagen. So kam es, dass die Bewohner Galatiens sehr bald wieder in ihre alte Lebensweise zurückfielen.
Paulus aber war bestürzt. Die Galater hatten doch erfahren, welche Kraft der Glauben hat, sie sind mit dem Heiligen Geistes in Berührung gekommen und haben Wundertaten erlebt. Aber die Argumente der Gegner wogen schwer. Die Heilige Schrift des Alten Bundes war das gemeinsame Fundament sowohl für Paulus als auch für seine Gegner. Und dort standen diese Vorschriften, die Paulus abschaffen wollte. Mit welchem Recht kann Paulus eine Lehre verkünden, die dazu scheinbar im Widerspruch steht?
Paulus argumentiert damit, dass das Gesetz des Alten Bundes nur eine vorübergehende Bedeutung hatte. Abraham, der Stammvater Israels, hatte bereits wegen seines Glaubens das Heil von Gott erfahren, und nicht, weil er Werke des Gesetzes erfüllt hat. Gottes Verheißung des Heils ist damals bereits an alle ergangen, die wie Abraham den Glauben haben. Aber die Menschen waren von Abraham an bis zur Zeit des Paulus unmündigen Kindern gleich, denen zwar das Erbe des Abraham verheißen war, die aber noch nicht reif dafür waren, dieses Erbe anzutreten. Daher hat Gott das Gesetz gegeben, dem die Menschen bis zu ihrer Mündigkeit wie einem Vormund unterstellt sein sollten.
Von Abraham wird gesagt: Er glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Daran erkennt ihr, dass nur die, die glauben, Abrahams Söhne sind. Und da die Schrift vorhersah, dass Gott die Heiden aufgrund des Glaubens gerecht macht, hat sie dem Abraham im Voraus verkündet: Durch dich sollen alle Völker Segen erlangen. Also gehören alle, die glauben, zu dem glaubenden Abraham und werden wie er gesegnet. Alle aber, die nach dem Gesetz leben, stehen unter dem Fluch. Denn in der Schrift heißt es: Verflucht ist jeder, der sich nicht an alles hält, was zu tun das Buch des Gesetzes vorschreibt. Dass durch das Gesetz niemand vor Gott gerecht wird, ist offenkundig; denn: Der aus Glauben Gerechte wird leben. Das Gesetz aber hat nichts mit dem Glauben zu tun, sondern es gilt: Wer die Gebote erfüllt, wird durch sie leben. Christus hat uns vom Fluch des Gesetzes freigekauft, indem er für uns zum Fluch geworden ist; denn es steht in der Schrift: Verflucht ist jeder, der am Pfahl hängt. Jesus Christus hat uns freigekauft, damit den Heiden durch ihn der Segen Abrahams zuteil wird und wir so aufgrund des Glaubens den verheißenen Geist empfangen.
Brüder, ich nehme einen Vergleich aus dem menschlichen Leben: Niemand setzt das rechtsgültig festgelegte Testament eines Menschen außer Kraft oder versieht es mit einem Zusatz. Abraham und seinem Nachkommen wurden die Verheißungen zugesprochen. Es heißt nicht: «und den Nachkommen», als wären viele gemeint, sondern es wird nur von einem gesprochen: und deinem Nachkommen; das aber ist Christus. Damit meine ich: Das Testament, dem Gott einst Gültigkeit verliehen hat, wird durch das vierhundertdreißig Jahre später erlassene Gesetz nicht ungültig, sodass die Verheißung aufgehoben wäre. Würde sich das Erbe nämlich aus dem Gesetz herleiten, dann eben nicht mehr aus der Verheißung. Gott hat aber durch die Verheißung Abraham Gnade erwiesen. (Gal 3,6-18)
Warum gibt es dann das Gesetz? Wegen der Übertretungen wurde es hinzugefügt, bis der Nachkomme käme, dem die Verheißung gilt. Es wurde durch Engel erlassen und durch einen Mittler bekannt gegeben. Einen Mittler gibt es jedoch nicht, wo nur einer handelt; Gott aber ist «der Eine». Hebt also das Gesetz die Verheißungen auf? Keineswegs! Wäre ein Gesetz gegeben worden, das die Kraft hat, lebendig zu machen, dann käme in der Tat die Gerechtigkeit aus dem Gesetz; stattdessen hat die Schrift alles der Sünde unterworfen, damit durch den Glauben an Jesus Christus die Verheißung sich an denen erfüllt, die glauben. Ehe der Glaube kam, waren wir im Gefängnis des Gesetzes, festgehalten bis zu der Zeit, da der Glaube offenbart werden sollte. So hat das Gesetz uns in Zucht gehalten bis zum Kommen Christi, damit wir durch den Glauben gerecht gemacht werden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, stehen wir nicht mehr unter dieser Zucht. (Gal 3,19-25)