Jona 1,2-2,11

Flucht und Rettung

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Jona
Mach dich auf den Weg und geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr (das Strafgericht) an! Denn die Kunde von ihrer Schlechtigkeit ist bis zu mir heraufgedrungen. (Jona 1,2)

Der Auftrag an Jona ist klar: Er soll nach Ninive gehen, und dieser Stadt Gottes Strafgericht androhen. Nimmt man eine Entstehungszeit des Buches um das 4. Jahrhundert herum an, so war Ninive zu diesem Zeitpunkt bereits zerstört. Es blieb aber im Gedächtnis der Menschen als mächtige Stadt, die eine Bedrohung für das Volk Gottes dargestellt hat. Ähnlich wie Babylon wurde sie vor allem in nachexilischer Zeit zum Symbol aller gottfeindlichen Mächte.
Surge! Vade! Praedica!
Dieser dreifache Auftrag an Jona hat mich auch zum Titel meiner Website praedica.de inspiriert.

Jona machte sich auf den Weg; doch er wollte nach Tarschisch fliehen, weit weg vom Herrn. Er ging also nach Jafo hinab und fand dort ein Schiff, das nach Tarschisch fuhr. Er bezahlte das Fahrgeld und ging an Bord, um nach Tarschisch mitzufahren, weit weg vom Herrn. (Jona 1,3)

Jona macht sich tatsächlich auf den Weg, aber genau in die entgegengesetzte Richtung. Tarschisch, das war Synonym für die am weitesten westlich gelegene Stadt der damals bekannten Welt und wird im heutigen Spanien vermutet. Legendär ist die Tarschisch-Flotte König Salomos, die drei Jahre unterwegs war, um mit dieser Stadt einen märchenhaften Handel zu treiben. Ninive aber lag von Israel aus im Osten, in Mesopotamien, dem heutigen Irak.
Ein Prophet, der vor Gott fliehen will, und das sogar heimlich, so etwas finden wir selten in der Bibel. Jona meint, Gott würde es nicht merken, meint, er hätte seine Ruhe vor diesem Gott, der etwas scheinbar Unmögliches von ihm verlangt. Weit weg vom Herrn will Jona fliehen, aber Gott kann er nicht entkommen.

Aber der Herr ließ auf dem Meer einen heftigen Wind losbrechen; es entstand ein gewaltiger Seesturm und das Schiff drohte auseinanderzubrechen. Die Seeleute bekamen Angst und jeder schrie zu seinem Gott um Hilfe. Sie warfen sogar die Ladung ins Meer, damit das Schiff leichter wurde. Jona war in den untersten Raum des Schiffes hinabgestiegen, hatte sich hingelegt und schlief fest. Der Kapitän ging zu ihm und sagte: Wie kannst du schlafen? Steh auf, ruf deinen Gott an; vielleicht denkt dieser Gott an uns, sodass wir nicht untergehen.
Dann sagten sie zueinander: Kommt, wir wollen das Los werfen, um zu erfahren, wer an diesem unserem Unheil schuld ist. Sie warfen das Los und es fiel auf Jona. Da fragten sie ihn: Sag uns, was treibst du für ein Gewerbe und woher kommst du, aus welchem Land und aus welchem Volk? Er antwortete ihnen: Ich bin ein Hebräer und verehre Jahwe, den Gott des Himmels, der das Meer und das Festland gemacht hat.
Da bekamen die Männer große Angst und sagten zu ihm: Warum hast du das getan? Denn sie erfuhren, dass er vor Jahwe auf der Flucht war; er hatte es ihnen erzählt. Und sie sagten zu ihm: Was sollen wir mit dir machen, damit das Meer sich beruhigt und uns verschont? Denn das Meer wurde immer stürmischer.
Jona antwortete ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, damit das Meer sich beruhigt und euch verschont. Denn ich weiß, dass dieser gewaltige Sturm durch meine Schuld über euch gekommen ist. Die Männer aber ruderten mit aller Kraft, um wieder an Land zu kommen; doch sie richteten nichts aus, denn das Meer stürmte immer heftiger gegen sie an.
Da riefen sie zu Jahwe: Ach Herr, lass uns nicht untergehen wegen dieses Mannes und rechne uns, was wir jetzt tun, nicht als Vergehen an unschuldigem Blut an. Denn wie du wolltest, Herr, so hast du gehandelt. Dann nahmen sie Jona und warfen ihn ins Meer und das Meer hörte auf zu toben. Da ergriff die Männer große Furcht vor Jahwe und sie schlachteten für Jahwe ein Opfer und machten ihm viele Gelübde. (Jona 1,4-16)

Sehr kunstvoll wird hier erzählt, was sich auf dem Meer ereignet. Gott lässt seinen Propheten nicht entkommen. Ein starker Sturm hält das Schiff auf. Die Seeleute versuchen zu retten, was zu retten ist. Nach damaliger Sitte wird zuerst die Ladung über Bord geworfen, damit das Schiff leichter wird. Dann hilft nur noch Beten. Jona aber interessiert das alles nicht. Er schläft in seiner Kammer unter Deck. Er will mit all dem nichts zu tun haben, will nur weg, weg.
Aber er muss die Verantwortung für sein Tun übernehmen. Der Kapitän holt ihn aus seiner Kammer und schnell wird klar, dass er an all dem Unheil schuld ist, das über das Schiff gekommen ist. Die Seeleute staunen, was das für ein mächtiger Gott ist, dem Jona da entfliehen möchte. Nach einigem Hin und Her werfen sie Jona schließlich ins Meer. Der Sturm legt sich, das Meer wird ruhig, sie sind gerettet und bringen Gott ein Opfer dar.

Der Herr aber schickte einen großen Fisch, der Jona verschlang. Jona war drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches und er betete im Bauch des Fisches zum Herrn, seinem Gott:
In meiner Not rief ich zum Herrn und er erhörte mich. Aus der Tiefe der Unterwelt schrie ich um Hilfe und du hörtest mein Rufen.
Du hast mich in die Tiefe geworfen, in das Herz der Meere; mich umschlossen die Fluten, all deine Wellen und Wogen schlugen über mir zusammen.
Ich dachte: Ich bin aus deiner Nähe verstoßen. Wie kann ich deinen heiligen Tempel wieder erblicken?
Das Wasser reichte mir bis an die Kehle, die Urflut umschloss mich; Schilfgras umschlang meinen Kopf.
Bis zu den Wurzeln der Berge, tief in die Erde kam ich hinab; ihre Riegel schlossen mich ein für immer. Doch du holtest mich lebendig aus dem Grab herauf, Herr, mein Gott.
Als mir der Atem schwand, dachte ich an den Herrn und mein Gebet drang zu dir, zu deinem heiligen Tempel.
Wer nichtige Götzen verehrt, der handelt treulos.
Ich aber will dir opfern und laut dein Lob verkünden. Was ich gelobt habe, will ich erfüllen. Vom Herrn kommt die Rettung.
Da befahl der Herr dem Fisch, Jona ans Land zu speien. (Jona 2,1-11)

Nun muss Gott sich um Jona kümmern, und das tut er auch. Ein mächtiger Fisch verschlingt ihn. In dessen Magen geht Jona in sich, beginnt zu beten. Der sogenannte Psalm des Jona hat viele Anklänge an verschiedene biblische Psalmen. Es ist ein typisches Motiv: In der Not ruft der Beter zu Gott und Gott erhört ihn. Aus dem Bereich tiefer Gottferne gelangt der Beter zur Nähe Gottes. Am Ende bekennt er Gott als Retter, dessen Lob er verkündet.
Jona macht die Erfahrung, dass er Gott nicht entfliehen kann, weder räumlich noch in seinem Innern. Räumlich bringt der Fisch ihn zu seinem Ausgangspunkt zurück. In seinem Innern führt die Not der Dunkelheit ihn zu einer neuen Erfahrung von Gottes Nähe.

Die drei Tage des Jona im Bauch des Fisches deutet Jesus Christus symbolisch auf seine Zeit im Grab:
Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Innern der Erde sein. Die Männer von Ninive werden beim Gericht gegen diese Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie haben sich nach der Predigt des Jona bekehrt. Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona. (Mt 12,40-41)

In diesen Worten Jesu wird auch deutlich, was die Intention des Jonabuches ist: Ninive, die große heidnische Stadt, Symbol aller Gottlosigkeit, hat sich nach nur drei Tagen Predigt des Jona ganz und gar bekehrt, Israel aber, das so viele Boten und Zeugnisse von Gott geschenkt bekommen hat, tut sich schwer mit einer Umkehr zu Gott.